Erkennungsmerkmal: Die weiße Kamera
Ich treffe Jörg Schwerin im Café Himmelsschreiber. Draußen Flugzeuge und Kerosingeruch und drinnen ein Earl Grey mit Milch lassen Jörg lächeln. Wie sich herausstellt, ist es der perfekte Treffpunkt, denn Jörg ist Flugzeugmechaniker.
Wenn ich mich auf ein Interview vorbereite, dann schau ich mir gerne das Facebook-Profil meines Interviewpartners an und schaue, was ich so über denjenigen herausfinden kann. Bei dir, Jörg, bin ich nicht recht erfolgreich gewesen, ein paar witzige Sprüche, keine Fotos von dir, auch in der Facebookgruppe postest du eigentlich kaum etwas. Einen Flickr-Account habe ich dann doch noch ausfindig machen können. Das war gar nicht so einfach. Nun, ich dachte mir, ich stelle dir dann mal Fragen nach Schema F. 😀
F wie Flickr. 🙂
Seit wann fotografierst du? Wie hat sich die Leidenschaft bei dir entwickelt?
1985.
1985 war tiefster Sozialismus. Ich habe in Berlin (damals DDR) gewohnt. Ein Freund brachte mich dazu, mir eine Kamera zu kaufen. Die Auswahl war nicht besonders groß. Da gab es zum Beispiel die EXA und die Praktica. Ich bin damals mit meiner Mutter mit der Straßenbahn zum Laden gefahren, der Himmel war komplett bedeckt mit tiefhängenden Wolken, Untergrenze höchstens 50 Meter. In Marzahn, wo ich damals wohnte, war die Wartezone für Tegel. Als wir aus der Straßenbahn stiegen, hörte ich laute Triebwerke und sagte zu meiner Mutter: „Da kommt jetzt ein großes Flugzeug, das würde ich gerne sehen.“ Seit 1984 war ich bereits bei der NVA und dort bei den Fliegern und interessierte mich daher sehr für Flugzeuge. Dann riss ein Loch in die Wolkendecke, ein einziges Loch, und aus diesem Loch kam eine Concord. (Jörg bekommt Gänsehaut)
Dann habe ich meine Kamera gekauft und mich geärgert, dass ich sie nicht schon hatte, als ich dieses unglaubliche Ereignis gesehen habe. Wobei, wenn ich sie schon gehabt hätte, wäre ich nicht dort gewesen …
Nun, ab diesem Moment fotografiere ich. Meine erste Kamera war eine BC1 von Praktica.
Hast du die noch?
Nein, die habe ich nicht mehr. Die Kamera war komplett analog. Filme ohne Ende. Ich hab immer Dias machen lassen, das war preisgünstiger als Fotoabzüge. Wenn man einen Film entwickelt, hat man ein Negativ und davon wird ein Positiv-Abzug gemacht. Beim Dia fällt davon eine Stufe weg. Man kann dann von den gerahmten Dias später trotzdem noch ein Bild machen lassen.
Ich hatte irgendwann eine Sammlung von 3000-3500 Dias. Eine sehr häufige Frage an mich damals: „Kannste ma ’nen Dia-Abend machen?“ Ich: *grummel*. Andere Fotografen haben mit Dia-Abenden genervt, bei mir war das eher umgekehrt. (lacht)
Nun, seitdem fotografiere ich alles, was nicht niet- und nagelfest ist, überwiegend unbewegte Motive, Fliegerei, klar durch meinen Beruf, ich war aber auch viel unterwegs in der Mecklenburger Seenplatte.
Oh, riechst du das?
Kerosin.
Klasse, oder? Wenn es das als Parfüm geben würde, würde ich es mir holen. (lacht)
Nach der Wende habe ich meine Kamera verkauft und habe mir eine Canon EOS 1000F gekauft, mit der ich sozusagen vom Mittelalter auf Neuzeit umgestiegen bin. Auch eine analoge Kamera, aber um Längen besser. Interessanterweise wurden die Bilder nicht besser … 😉 Die Kamera konnte viel mehr und damit konnte man auch viel mehr verkehrt machen.
Was hast du heute für eine Ausrüstung?
Seit einem Jahr habe ich eine EOS 100D in weiß mit den Kit-Objektiven 18-55 mm und 55-250 mm.
Die EOS 1000F habe ich meiner Schwester geschenkt, für sie der Auslöser, die Ausbildung zur Fotografin zu machen. 🙂
Was interessiert dich besonders als Motiv? Auf Flickr hab ich von allem etwas gesehen.
Langzeitbelichtung, Nachtfotografie und Lightpainting interessieren mich sehr. Ich habe sogar Filter in der Tasche, aber bisher habe ich die kaum benutzt. Ich bin mir auch noch nicht schlüssig, ob das was für mich ist, denn nachts muss man weniger filtern, da ist es ja eh dunkel. (lacht) Ich gehe allgemein lieber nachts los. Und ich mag alles, was sich nicht bewegt.
Was möchtest du zukünftig noch erlernen bzw. ausprobieren?
Ich möchte Makros machen. Strukturen fotografieren, die man mit dem bloßen Auge kaum noch wahrnimmt, aber ohne Mikroskop. Darüber möchte ich mehr lernen. Und natürlich auch mehr zu Lichtmalerei und Langzeitbelichtung.
Gehst du gern in Gruppen fotografieren, wie z. B. beim Fotowalk auf dem Ohlsdorfer Friedhof, bei dem wir uns ja auch getroffen haben?
In Gruppen los gehen finde ich interessanter als alleine, man kann sich toll ergänzen, eventuell Objektive tauschen und ausprobieren, man bekommt Tipps, wie auch mal die Perspektive zu wechseln und so weiter. Das funktioniert alleine nicht.
Du bist regelmäßiger Stammtisch-Besucher. Was begeistert dich daran?
Ich bin seit ca. einem Jahr in der Facebook-Gruppe der Hamburger Fotofreaks und seit ich im November letzten Jahres den ersten Stammtisch mitgemacht habe, stand für mich fest, ich versuche jetzt alle Stammtische mitzumachen. Ich habe dort mittlerweile so viele nette Leute kennengelernt und jeder macht fotografisch was anderes und berichtet darüber. Das finde ich super.
(Text und Fotos: Britta Gleiminger)
Jörg’s Internetpräsenz
https://www.facebook.com/schwerin.hamburg
https://www.flickr.com/photos/schwerin-hamburg
https://www.facebook.com/schwerie421
Jörg’s Fotos
4 Antworten to “Interview mit Jörg Schwerin”
27. April 2016
Jörg SchwerinDanke! Das waren vergnügliche 3h mit dir. Die auch noch wie im Fluge vergingen… Ich hätte gern noch weitergeklönt… 😉
28. April 2016
Britta GleimingerSo ging es mir auch, Jörg. Vielen Dank 🙂
27. April 2016
Heidi vom landeSehr interessant. Ich stehe auch auf Abgase, aber mehr von motorraedern, nicht von Flugzeugen 🙂 lg heidi
6. Mai 2016
Jan SiegToller und sehr lesenswerter Bericht. Bei mir kommen die Abgase eher vom Dieselgeruch der großen COntainerschiffe 🙂